In Kaspar Hauser (1812-1833) ereignet sich ein maßgeblicher Kristallisationspunkt neuerer Menschheitsgeschichte. Während einer Zeit enormer gesellschaftlicher und innermenschlicher Umbrüche erscheint zu Pfingsten 1828 in Nürnberg wie aus dem Nichts ein Wesen, das bis aufs Tiefste die Frage nach des Menschen wahrer Identität stellt. Das WER BIN ICH wie auch die Mysterien von Geburt und Tod zeigen sich an ihm in eindringlicher Beispielhaftigkeit auf. Ja selbst die in Frage gestellte Identität des Menschen ist an ihm in erschreckender Deutlichkeit abzulesen.
Vor 30 Jahren begann ich, mit meiner Abiturrede im fernen Südamerika, von dem „Kind Europas“ zu sprechen.
1998 initiierte und kuratierte ich in Ansbach die Kaspar-Hauser-Festspiele, die seitdem alle zwei Jahre über die Bühnen der Stadt gegangen sind. Die Zahl der Menschen, die sich berühren lassen von diesem „Schmerzenskind“, wächst allerorts stetig. Es ist wahrzunehmen, dass er ein an Schärfe immer weiter zunehmendes Urbild ist unseres heutigen als auch künftigen Menschseins.
Der wissenschaftlich gewichtigste Kaspar-Hauser-Forscher war Prof. Dr. Hermann Pies (1888-1983), der in unermüdlicher Arbeit die historische Grundlage der Kaspar-Hauser-Forschung schuf. Sein Nachlass ging kurz vor seinem Tode an den Verleger Johannes Mayer (Stuttgart) über, der umfassende Dokumentationen zu Kaspar Hauser und Lord Stanhope herausbrachte.
Seitdem sind 33 Jahre vergangen und der Nachlass von Hermann Pies, nun ergänzt durch Forschungsmaterial von Johannes Mayer, suchte nach einem weiteren Menschen, der in Kaspar Hauser sein Lebenswerk sieht. So ist dieser Schatz jetzt in meine Hände übergegangen, eine Ehre und Bürde zugleich.